Medienarchiv Günter Grass Stiftung Bremen – Winter-Journal 2021
Grass im Gespräch
„Ich selbst habe jahrelang, und das gleiche trifft für Lenz und Böll zu, den Kampf nicht nur nach rechts, sondern bis weit ins extreme linke Lager hinein
geführt und ausgehalten. Das mußte durchgestanden werden.“
Günter Grass, 1977
Verehrte, liebe Literaturfreunde,
egal ob Privatperson oder Institution – die Jahresplanung ist diesmal von großer Unsicherheit begleitet; die Pandemie macht unerwartete Rückschläge wahrscheinlich. Gleichwohl wägt sich die Günter Grass Stiftung Bremen in Zuversicht. Nach dem Umzug im vergangenen Jahr von der Jacobs University auf die Überseeinsel in Bremen ist der Neustart nämlich erfolgreich verlaufen. Das trifft sowohl für die inhaltliche Ausrichtung als auch für die personelle Besetzung der Gremien zu. Aus eigener Kraft hat die Stiftung ehrgeizige Zukunftsprojekte auf den Weg gebracht, angefangen mit einem Digitalisierungsschub für das Medienarchiv und jetzt mit der Einrichtung einer dreidimensionalen Grass Galerie Digital im Netz. Die Stiftung hat sich in Sachen Technik, Organisation und Standort sozusagen erfrischt. Die Einrichtung, die wieder ins Zentrum der Stadt gerückt ist, hat an öffentlicher Wahrnehmung und an Attraktivität für Kooperationen in der Literatur- und Medienwissenschaft gewonnen. Engere Verknüpfungen werden derzeit mit verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen ausgelotet. „Der digitale Grass & Co.“, unser Anspruch und Ziel, schreitet voran.
Den Kern der Stiftung bildet eine umfangreiche Sammlung von audiovisuellen Dokumenten mit und über den Schriftsteller Günter Grass. Die Videos und Hördateien werden im Medienarchiv gepflegt, digitalisiert und vor allem der Grass-Forschung zur Verfügung gestellt. Mitarbeiter und Vorstand haben sich in den vergangenen Monaten verstärkt um zeitgemäße Software- und Archivlösungen bemüht, um die Verwaltung, Nutzung und Darstellung der größtenteils historischen Dokumente moderner, breiter und leistungsfähiger zu gestalten. Der erhebliche Kostenaufwand konnte aus eigenen Mitteln gedeckt werden. Günter Grass als Mensch, Künstler und Schriftsteller digital in Ton und Bild erfahrbar zu machen und dies besonders auch für junge Menschen – dieser großen Aufgabe stellt sich die Stiftung aktiv.
Frischer Wind in den Gremien
Wir von der Stiftung freuen uns sehr, dass wir für unsere Gremien namhafte Persönlichkeiten gewinnen konnten, die die Arbeit zur Grass-Forschung und zur Präsentation seines umfangreichen Werkes bereichern werden. Dem Kuratorium sitzt jetzt Dr. Yvette Gerner, Intendantin von Radio Bremen, vor. Ihre Stellvertreterin ist Cornelia Holsten, Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt. Namhafte und leitende Vertreter*innen aus der Literatur- und Medienwissenschaft unterstützen die Kuratoriumsarbeit: Dr. Philipp Beyer vom NDR, Dr. Jan Bürger vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, Literaturwissenschaftler Professor Jochen Hörisch, Dr. Victoria Krason vom Deutschen Hygiene Museum in Dresden und der Publizist und Literaturwissenschaftler Professor Harro Zimmermann. Für die Familie von Günter Grass stößt die Enkelin und Studentin Julia Grass-Capellanti dazu. Treu verbunden bleibt dem Kuratorium der Filmregisseur Bruno Grass.
Der Vorstand, bestehend aus Dr. Klaus Meier, Professor Joachim Treusch, Jörg-Dieter Kogel und Professor Heiko Staroßom, wurde um zwei weitere Bremer Persönlichkeiten ergänzt: Dr. Sabina Schoefer, Konrektorin der Hochschule Bremen, und Andreas Niemeyer, Geschäftsführer der Dettmer-Gruppe. Auf gutes Gelingen!
Lesetipp
Günter Grass zählt immer noch oder wieder zu „Unseren Besten“. So konnte man es in der Süddeutschen Zeitung vom 29. Dezember 2020 lesen. Die Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer empfahl die Novelle „Katz und Maus“, die einen Platz unter den komischen Erzählungen in der Weltliteratur beanspruchen dürfe. Es „ließe sich denken, dass man das Buch wie ein Brevier läse, zwei Seiten pro Tag, um mit Wörtern und Bildern, die zwischen banal und absurd taumeln, durch den Alltag zu wandeln – ein bisschen berauscht.“
Sehr empfehlenswert ist ebenfalls ein Beitrag des Schriftstellers und Literaturkritikers Paul Ingendaay am 12. Dezember 2020 in der FAZ, in dem er sich mit der neuen (und letzten) Werkausgabe von Günter Grass auseinandersetzt. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/werkausgabe-zeigt-guenter-grass-als-engagierten-redner-17097698.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2