Günter Grass und der Tag des Mauerbaus am 13. August 1961
13. August 1961: Die Grenze zwischen der DDR und der BRD wird abgeriegelt und der Bau der Berliner Mauer, die Deutschland für 28 Jahre in Ost und West spalten sollte, in Angriff genommen. Seit in den frühen Morgenstunden jenes geschichtsträchtigen Sonntags die ersten Stacheldrähte an den Grenzübergängen gezogen werden, sind Familien, Freunde und Bekannte voneinander getrennt. Während die Mauer anfangs noch überwiegend für Proteste sorgt, wird sie schnell Teil des Alltags. In der Folge verhärten sich die ideologischen Fronten des Kalten Krieges und die Menschen beiderseits der Grenze entfremden sich zunehmend voneinander. Die stete Isolation nach der Grenzabriegelung und das anhaltende Gefühl der Inhaftierung werden bald als psychische Probleme – man spricht von der Berliner Mauerkrankheit – sichtbar.
Günter Grass, der dem Geschehen am 13. August in Berlin persönlich beiwohnt, verlangt in zwei offenen Briefen von den ostdeutschen Schriftstellerkolleg*innen, unter anderen Anna Seghers, ihre Stimme gegen den Mauerbau zu erheben. Er fordert sie dazu auf, „das Unrecht beim Namen zu nennen“. Wer schweige, lade Schuld auf sich; Schuld, weil die Mauer ein Gefängnis schafft. Wie einst die Stacheldrähte der Konzentrationslager? Die Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus könnten jedenfalls kaum deutlicher sein: Und niemand solle später behaupten, er sei gegen die Sperrmaßnahmen gewesen.
Die Anerkennung eigener Verantwortung und Schuld, aber auch deren literarische Schaffenskraft sind entscheidende Themen für Grass, die er auch in seiner Novelle Katz und Maus behandelt, die nach dem 13. August 1961 erscheinen wird.
Die Interventionen Grass‘ rund um den 13. August sowie sein schriftstellerisches Selbstverständnis machen vor, warum ein Gedenken wichtig ist. Mit seiner Haltung zum Bau der Berliner Mauer schafft er zugleich eine Reflexion über die Aktualität des Erinnerns. Ben Dittmann, Autor des Films „Das Unrecht beim Namen nennen“, erläutert: „Grass ließe sich so deuten, dass Erinnern ein schuldiges Schweigen – ein Verschweigen – verhindert, dass auch das Erinnern ein Unrecht noch beim Namen nennen kann.“